(Fortsetzung von Seite 1) Als Erich M. mich im Sommer 1962 in sein Reich holte und mich damit gleichzeitig aus einem ungeliebten Job befreite, spürte ich sofort eine starke Resonanz mit ihm. So ergab es sich fast wie von selbst, dass Erich M. mein erster und wichtigster Mentor wurde.
Es war damals (1964) total unüblich, sich gleich mit jedem zu duzen, und schon gar nicht mit dem Chef. Er aber erlaubte sich fast bei jedem im Amt eine Art väterliches Du: „Aha!“ sagte er nur, nachdem er sich meine Beschwerde angehört hatte. „Dann hat er wieder mal seine Tage. Daran wirst du dich gewöhnen müssen. Ich rede mit ihm.“
Als Erich K. mich dann pünktlich um 12.30 Uhr ablöste, plagte mich ein wenig das Gewissen. Dementsprechend wortkarg und schnell war meine Übergabe. Draußen im lichtdurchfluteten, etwas tiefer liegenden Schalterraum, den ich über eine fünfstufige, dunkelbraune Holztreppe erreicht hatte, plauderte ich noch ein wenig mit den zwei Schalterbeamtinnen, als es im großen Chefzimmer eine halbe Etage höher plötzlich sehr laut wurde.
Deutlich war durch die vier Milchglasfenster der weiß gestrichenen Tür des Chefbüros bis in die Schalterhalle hinaus zu hören, wie Erich M. seinem Namensvetter die Leviten las.
Weil ich mich schon immer dafür interessierte, wie das Leben funktioniert, wollte ich dem kuriosen Geschehen auf den Grund gehen. Denn kurz vor seinem Anschiss war Erich K. ja geradezu unausstehlich gewesen, kurz danach aber wie ausgewechselt produktiv und liebenswert! Offenbar brauchte er diese Bestrafung. Aber warum? Was ist die verborgene Ursache für dieses seltsame Verhalten? Wo ist da der Nutzen? Ich fragte meine beiden damaligen Freunde Gerd und Friedl, mit denen ich schon viele
heiße philosophische Diskussionen hatte. Doch auch sie wussten keine befriedigende Antwort auf meine Fragen.
Also dachte ich daran,
Psychologie zu studieren. Doch Friedl, der selber studierte, klärte mich auf,
dass die alten Professoren nicht einmal noch bei Sigmund Freud angelangt wären.
Also kaufte ich mir ein Buch über die Grundlagen der Psychologie – einen
richtig dicken Wälzer – grub mich tief hinein und wurde nach ein paar hundert
Seiten tatsächlich fündig.
Ich entdeckte, dass verbotenes oder unerwünschtes Verhalten und Bestrafung bei den meisten Menschen zusammengehören - wie Tag und Nacht, Ebbe und Flut oder Henne und Ei. Wenn die Strafe aber ausbleibt, dann staut sich tief in ihrem Inneren etwas auf, das sich früher oder später in Form einer Selbstbestrafung, der Sühne, entlädt.
Diese Bestrafungen können unglaublich kreativ sein, werden aber meistens als „Zufall“ abgetan. Doch alles, was irgendwo auf der Welt geschieht, beruht auf universellen Gesetzen. Es gibt keinen Zufall! Es sei denn, wir definieren „Zufall“ als ein Ereignis, das uns gesetzmäßig „zu-fällt“.
Das kann eine Kleinigkeit sein wie ein Strafzettel hinter dem Scheibenwischer Ihres Autos. Das können aber auch ein Unfall, eine Erkrankung, der Verlust von Geld, des Jobs oder des Partners sein. Und geht es im Leben eines Menschen ständig auf und ab, dann ist es so gut wie sicher, dass es sich dabei um wiederholte Selbstbestrafungen handelt.
In berauschender Sprache und
ergreifenden Bildern erzählt der größte Kriminalroman aller Zeiten („Schuld und
Sühne“) die atemberaubende Geschichte des Studenten Raskolnikow, der in
fortschrittsgläubiger Verblendung einen Doppelmord begeht - und daran
zerbricht. Er, der Verbrecher, sehnt sich fortan nach Strafe, um seine Untat
zu sühnen, doch wahrhafte Rettung verspricht ihm allein seine Liebe zu der
Prostituierten Sonja.
In Anlehnung an diesen
weltberühmten Roman von Fjodor M. Dostojewski nannte ich die meist zwingende
Abfolge von „Missetat“ und Bestrafung „Schuld- und Sühneprogramm.“
Ich habe miterlebt, wie eine Frau um die 60 deshalb so lange von Arzt zu Arzt ging, bis endlich einer bei ihr die (falsche) Diagnose Brustkrebs stellte und sie dann nach mehreren Chemos und Bestrahlungen elendiglich zugrunde ging.
Ich habe miterlebt, wie sich ein
Freund aus meiner Kindheit, der schon als kleiner Bub ständig bestraft wurde,
sich als etwa 50-jähriger Familienvater das Leben nahm. Ich habe miterlebt,
wie sich eine blitzgescheite Frau trotz meiner eindringlichen Warnung eine
Hungerkur verpasste, die ihr eine Lähmung einbrachte und schließlich den Tod.
Ich habe aber auch miterlebt, wie
eine etwa 50-jährige, krebskranke, von der Schulmedizin aufgegebene, Frau wieder
vollkommen gesund wurde.
Ich habe miterlebt, wie sich eine junge Frau aus ihrem Sühneprogramm befreien konnte und von da an keinerlei Verluste mehr hatte.
Und ich habe mehrfach miterlebt,
wie kleine Kinder aufblühen und schon früh Verantwortung übernehmen, wenn sie
ohne jegliche Angst vor Strafe aufwachsen und mich immer wieder von neuem
gefreut, dass das Schuld- und Sühneprogramm für sie nie ein Thema sein wird.
Mein neues Buch* zeigt anhand von Geschichten aus
dem Leben sowie aus Büchern und Filmen, wie dieses Programm entsteht
und was es alles anrichten kann.
Es verrät das Geheimnis, wie du dein eigenes, mehr oder weniger ausgeprägtes Schuld- und Sühneprogramm deaktivieren und damit unschädlich machen kannst.
Und es zeigt, wie du bei deinen
Kindern und Enkelkindern verhindern kannst, dass das Programm überhaupt
entsteht – ein unbezahlbares Geschenk fürs ganze Leben.
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